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3
Die Schullaufbahn meiner Mutter endete wenig rühmlich als Absolventin einer Haushaltslehrerinnen-Schule, damals scherzhaft 'Klopsakademie' genannt. Für ihre drei Söhne war das vorteilhaft. Sie erwartete auch von ihnen keine Spitzenleistungen - Hauptsache wir wurden versetzt. Auf einem Ball der katholischen Studentenverbindung Pruthenia lernte sie den Studenten an der Technischen Hochschule Hugo Althoff kennen. Er war bei dieser Verbindung Fuchsmajor. Ich besitze noch ein Bild von ihm in voller Wichs mit nach oben gezwirbeltem Schnurrbart. Was heute unglaublich komisch wirkt, muß damals beträchtlichen Eindruck gemacht haben. Mein Vater stammt aus Westfalen. Er wurde in Ostbevern geboren, einem Dorf in der Nähe des Wallfahrtsortes Telgte. Auch an diesem Ort spielt eine Erzählung von Günter Grass, das 'Treffen in Telgte' und es gelingt ihm hier, durch Personen der Handlung eine Verbindung zu seiner Heimatstadt herzustellen. Vater war das siebte von zehn Kindern eines Ehepaares, welches am Ort eine Wirtschaft mit kleiner Landwirtschaft betrieb. Mein Großvater hieß noch Schulze-Althoff, war nachgeborener Sohn eines Schulzen, also eines nicht-lehenspflichtigen freien Bauern. Die Geschwister meines Vaters blieben im Wesentlichen im Umfeld ihres Geburtsortes. Die zahlreichen Schwestern heirateten in Bauernhöfe weit unter dem Niveau des großelterlichen Schulzenhofes, vorwiegend jedoch in Wirtschaften ein. Nur eine Tante bekam eine Ausbildung zur
Volksschullehrerin, mußte jedoch dafür auf die elterliche Mitgift
verzichten. Meine Mutter schreibt darüber: 'Westfalen der Vor- und
Nachkriegsjahre des ersten Weltkrieges war noch eigentümlich streng
und in gewisser Weise rückständig und eng. Die katholische Lehrerin
führte ein sehr zurückgezogenes Leben inmitten aller Weltlichkeit.
Sie mußte sich schon in der Jugend würdig anziehen. Ein frei
getragener Hals z.B. war eine Ungehörigkeit. Vielerlei Verkrampftheiten
der älter werdenden Lehrerin, viel Altjüngferlichkeit und ungesunde
Prüderie, haben ihren Ursprung in dem zu engen Gesichtskreis und der
zu kleinlichen Lebensform, in der sich niemand ungebrochen entfalten konnte.
Bei besagtem Ball lernte er meine Mutter kennen. Beide verlobten sich 1910 und heirateten 1912. Kirchlich getraut wurden sie in der Herz-Jesu Kirche in Danzig-Langfuhr. Die Trauung wurde vollzogen durch den gemeinsamen Freund Walter Wienke, der wohl damals Kaplan gewesen sein dürfte. Pfarrer Wienke ist später zu fragwürdigen
literarischen Ehren gekommen. In dem berühmten Roman von Günter
Grass 'Die Blechtrommel' taucht seine Person immer wieder auf. Grass hat
den Namen nur um den Buchstaben h zu Wiehnke erweitert. Er war auch, wie
Grass berichtete, nur mittelgroß und außerordentlich rundlich.
Grass beschreibt ihn als bigotten wusseligen Geistlichen. Ich habe ihn als
ungemein netten, herzlichen, im Grunde auch einfachen, dabei hochintelligenten
Menschen kennengelernt. Ich sagte zu ihm Onkel Pfarrer und du. Ich war als
Kind öfter in seinem gemütlichen Pfarrhaus. Er hatte ein gutes
Gespür für Kinder und beantwortete meine kindlichen Fragen immer
sachlich und ruhig. Die Südfront seines Hauses war mit echtem Wein bewachsen.
Die Trauben wurden sogar reif und ich durfte mir so viele abpflücken
als ich essen konnte. |
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