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So bin ich mit meinen Erinnerungen im Monat
April des Jahres 1939 angelangt. Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges
sind es nur noch fünf Monate. Die Jugendzeit ist zuende. Sie wurde
von drei Mythen geprägt. Mythen nenne ich sie deswegen, weil sie in
Traditionen verwurzelt sind, die aus der tiefen Vergangenheit kommen. Man
könnte auch von Archetypen sprechen. Ich meine die Familie, das Deutschtum
und den Katholizismus. Die Familie war längst brüchig geworden.
Wir alle kannten die Bruchstellen und verleugneten sie so gut es ging. Mutter
schaffte es, für Söhne, Schwiegertöchter und Enkelkinder über
diesen Bruchstellen ein Familienglück zu inszenieren, so überzeugend,
daß man es fast für die Wahrheit halten konnte. Meine kurzfristig
und kurzsichtig geschlossene Ehe ist sechzehn Jahre später zerbrochen.
Ich litt weniger unter den Anlässen, die dazu führten, als am Zerbrechen
dieses Mythos, für dessen Weiterbestehen ich zu Opfern bereit gewesen
wäre. Daß dies nicht ging, schaffte mir Schuldgefühle, die
rational gesehen, geradezu widersinnig waren und nur durch die Trauer um die
Zerstörung der Familie als Mythos erklärbar sind. Das Deutsche nenne
ich meinen väterlichen Archetypus.
Sein Entstehen habe ich darzustellen versucht. Das hatte viel mit Sprache,
Kultur und Geist zu tun und gar nichts mit Rasse oder Religion. Ohne Juden
und deren geistigen Beitrag zur Kultur ist Deutschland nicht mehr das Deutschland
meiner Väter. Nationalismus und Rassismus hat es zerstört. Es
kann sich keine Ergriffenheit mehr einstellen, wenn ich an Deutschland denke.
Anders verhält es sich mit dem Katholizismus.
Er vertritt in meiner Erinnerung das Mütterliche; dort fand ich Trost
in Angst und Vergebung, wo ich Unrecht tat, und nicht gleich Prügel
oder Mißachtung. Schwierigkeiten hatte ich mit der jungfräulichen
Mutter Gottes. Sexualität ist Sünde, Verlust der Reinheit, aber
so hat meine wirkliche Mutter ja auch gedacht. Die Magna Mater, die vielbusige
Artemis, die Mutter-Gottheit verkümmerte schon im Altertum zur keuschen
Jungfrau, so auch in mir, bis ich mich befreite.
Als ich mir eingestehen mußte, daß
ich vom Credo der Messe so gut wie keinen Vers mehr glauben
konnte, habe ich Mutter Kirche verlassen. Ich bin ihr entwachsen. Sie irrte
in zu vielem. Doch bleibt mir mit eurem esoterischen
Geschwafel vom Leibe, in dem ihr den Glauben der Väter aufzulösen
versucht. Ich denke mit Liebe zurück und wenn ich manchmal Angst habe,
mache ich heimlich ihre magischen Zeichen, die so schön beruhigen.
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