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24
Mein Ausbilder, ein Leutnant, war eine recht sympathische Ausnahme. Er übertrug mir die kulturelle Betreuung unserer Gruppe. So konnte ich einen Staatsopernbesuch zum 'Freischütz' organisieren, der einhellig Zustimmung fand. Schwieriger war es dann schon, Verständnis für Orffs 'Carmina Burana' zu erwecken, die damals unter Tietjens Regie an der Berliner Staatsoper uraufgeführt worden waren. Die Aufforderung meines Leutnants, diese Musik und deren neue Form den Kameraden zu erläutern, brachte mich schon arg ins Schwitzen. Weit weniger erfolgreich war ich, wenn
es darum ging, eine Truppe anhand der Landkarte von X nach Y zu führen.
Für diese, für einen Offizier doch sehr wichtige Fähigkeit
war mein Realitätssinn nicht weit genug entwickelt. So stand meine
Beförderung zum Leutnant auf des Messers Schneide, es drohte der wenig
schmeichelhafte Abgang als Oberfähnrich. Erst Oberschütze, dann
Oberfähnrich, das gefiel mir nicht. Ich schlug darum meinem Leutnant
vor, seinen Urlaub nach dem Lehrgang bei mir zuhause im herrlich friedlichen
Zoppot zu verbringen. Er sagte begeistert zu. Wir haben uns in diesen vierzehn
Tagen zuhause gut verstanden.
Zum Abschluß der Ausbildung stand
noch eine erneute Vereidigung bevor. Sie fand im Berliner Sportpalast statt.
Anwesend waren etwa tausend Offiziere. Zuerst erschien Reichmarschall Hermann
Göring und gab uns die Anweisung, den Führer mit dem ihm gewohnten
Sieg-Heil-Jubel zu begrüßen. Also keine stramme Meldung, wie beim
Militär üblich. Soweit war ich dann doch mit meinem Soldatenstand
identifiziert, diesen befohlenen Jubel als unsoldatisch abzulehnen. Da ich
Hitler ohnedies verabscheute, beschloß ich, den Zirkus nicht mitzumachen.
Der Führer betrat den Sportpalast, der befohlene Jubel brandete auf und
steigerte sich zu allgemeinem Sieg-Heil-Geschrei. Plötzlich merkte ich,
daß ich ebenfalls laut mitbrüllte, hörte mir selbst mit Entsetzen
zu und stellte dann schleunigst den Zustand der Selbstkontrolle wieder her.
Meine Identität hatte sich vorübergehend in der Massenhysterie
aufgelöst. Das Hordentier in mir hatte das kritische Denkvermögen
ausgeschaltet. Von der Rede Hitlers war nur wenig zu verstehen. Sie interessierte
mich auch nicht. Ich war vollauf beschäftigt, mein eigenes Erlebnis
zu verdauen. Mit der berühmten JU 52 eingeflogen, kam ich am 20. September 1942, meinem 22. Geburtstag, bei meiner alten Kompanie an, konnte dort die Meldung meines alten Gurkenkarls entgegennehmen und versuchte am nächsten Tag, zu meiner Einheit vorzugehen. Ich habe es nicht geschafft. Ein bereits manövrierunfähig geschossener russischer Panzer belegte mich mit Maschinengewehrfeuer, durchschoß den rechten Ellenbogen und hätte mich wahrscheinlich durchsiebt, wenn nicht ein deutscher Panzer dazwischen gekommen wäre und den MG-Schützen zur Aufgabe gezwungen hätte. Ich durfte dann auf unseren Panzer aufsteigen, wobei der Russe, der mich eben noch durchsieben wollte, mir ganz freundlich half. Einen Tag später hatte ich schon ein kleines Eckchen neben einem aufgebahrten Verwundeten in einem Fieseler Storch erwischt und entwich aus dem Kampfgebiet. Auf Umwegen über Bukarest kam ich in die Heimat zurück. Meine Kompanie ist mit der 6. Armee bei Stalingrad untergegangen. Ich habe keinen meiner Truppe je wiedergesehen. |
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