Gnordin


"Die Wege Gnordins sind nicht immer klar zu sehen, bisweilen dornig und hinderlich, doch der wahre wissenschaftliche Geist wird sich davon nicht beirren lassen, sondern systematisch - hier prüfend, da abwägend - der Spur folgen."

(Aus der Einleitung von: Das Buch Gnordin)

Der Glaube der Gnordiker, wie die Anhänger Gnordins genannt werden, zählt zu den komplizierteren und leider des öfteren mißverstandenen Konzepten im religiösen Bereich überhaupt.
Über keine andere Glaubensgemeinschaft [wohlgemerkt, im LARP-Bereich] wurde vieles Irreführendes und Falsches weitergetragen, so daß ihr Ruf zu unrecht in den letzten Jahren gelitten hat.

Ich möchte hier nicht all die Unterstellungen und Fehlannahmen aufzählen, die man mit Gnordikern in Verbindung gebracht hat. Es mag sein, daß sich die Verbreiter der Gerüchte einfach nicht genug mit dem Thema beschäftigt haben; andere haben aus der Luft gegriffene Behauptungen in die Welt gesetzt, um den Gnordikern zu schaden. Letzteres wurde mir nach einem entsprechenden Con von den Verbreitern erzählt, und als ich sie fragte, warum sie es getan hätten, lautete die Antwort: "Ach, wir wollten nur mal sehen, wie ihr reagiert."

Was soll man da noch sagen? Die so entstandenen Schwierigkeiten haben den Charakteren, die einen ohnehin nicht leicht verständlichen Kult repräsentieren, jedenfalls erhebliche Steine in den Weg gelegt. Dennoch ist der Glaube nicht untergegangen.

Und jetzt noch ein paar Details zu Gnordin. Um es kurz zu machen: Gnordin-Anhänger sind nicht blind, nicht wahnsinnig, und sie zweifeln auch nicht an sich selbst.

Gnordin ist, wenn man ihn unbedingt innerhalb des Reigens der Zuständigkeiten der LARP-Götter einordnen muß, der Gott der Finsternis.
Und es wird gemeinhin gesagt, er sei mutmaßlich blind und eventuell wahnsinnig.

Eine Diskussion, warum sich gerade seine Anhänger mit Juristerei, Bürokratie und nekromantischen Dingen auskennen, würde nicht nur den Rahmen dieser Vorstellung sprengen, sondern gehört "in-time" auf einen Con - nicht hierher.

Bekannt ist wiederum, daß sich die Gnordiker gern des angewandten (und oft pflichtgemäßen) Zweifels bedienen, vor allem wenn es um Dispute geht. Dies (und die Ablehnung einer zu hohen Genauigkeit, wie sie etwa durch Zahlen dargestellt wird) hat inzwischen dazu geführt, daß sie in der Öffentlichkeit zum Teil nicht immer ernst genug genommen werden. Das ist natürlich ein Fehler; nicht nur, weil sie immer noch oft hohe Ämter wie Richter oder Ankläger oder Verteidiger innehaben, sondern auch, weil es zeigt, wie schnell Konzepte abgelehnt werden, nur weil sie nicht offensichtlich simpel sind.
(Zum Leidwesen mancher Spieler, die lieber einen durchsichtigen Plot hätten, entwerfe ich nun mal keine einfachen Konzepte.)
Daß der Zweifel eine Methode ist, um manchen Dingen auf den Grund zu gehen, ist weder von Gnordin noch von mir: Skepsis und Zweifel werden schon von

als Methoden der Entgegensetzung im gleichstarken Widerstreit (Isosthenie) behandelt und dargestellt:
"Bei jeder Aussage ist eine gleichwertige entgegengesetzte denkbar."

Im Zeitalter der Aufklärung bildete der Zweifel den Ausgangspunkt der Philosophie von René Descartes, und spätestens hier sollten all die verstummen, welche Methoden und Ziele verwechseln. Die Thematik ragt sogar in die Aussagen- und Prädikatenlogik hinein.

Im übrigen gibt es, um auf Liverollenspiele zurückzukommen, auf Dria bei den Magiern sogar eine Akademie der Zweifel, so daß jene Methode somit nicht mal einen Alleingang darstellt, sondern auch von anderen herangezogen wird, um ihre Rolle interessanter zu gestalten.

Meine Methode jedoch, echte philosophische Konzepte mit Äußerlichkeiten zu verbinden, die auf den ersten Blick verwirrend sind und sich durchaus hinterfragen lassen, war anscheinend zu undurchsichtig für den größten Teil der Personen, die damit konfrontiert wurden.

Das ist schade, denn der anfängliche Aufwand für den Hintergrund war relativ groß, von den einheitlichen Kutten über die heiligen Symbole bis zum Grundlagenwerk des Kultes, dem Buch Gnordin, vom dem das zweite und das dritte Kapitel hier zur Ansicht vorliegt.

Für viele Jahre hatten die Gnordiker die Jurisdiktion von Etraklin in ihren Händen, zwei Jahre sogar einen Sitz im Rat. Seit dem neuen König hat sich da einiges geändert: er, dem sie zum Thron verholfen haben, hat die Urteile über Adlige sich selbst und seinen Fürsten vorbehalten. Nur noch im einfachen Volk dürfen die Gnordiker Recht sprechen.
Und das tun sie auch.

Auf jeden Fall steht fest, daß die Kriminalität in den Städten leicht abgenommen hat, seit sich der Kult mit Verfolgung und Ahndung von Verbrechen beschäftigt. Man darf dabei jedoch nicht vergessen, daß Gerichtsverhandlungen (und mehr noch die staatliche Aufsicht über die Stadtwachen) lediglich ein Nebenaspekt des Wirkens der Gnordinanhänger sind.

Was bleibt?
Ein Kult, der ab und zu in Erscheinung tritt, dessen Potential jedoch bisher kaum ausgeschöpft wurde. Es wäre erfreulich, wenn sich langfristig mehr Spieler dafür interessieren würden, denn gerade um zum Rollenspiel, zum Dialog zu ermuntern, wurden die Gnordiker geschaffen.


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