Eine Abhandlung über den Wert von Tugenden und die Nichtigkeit von Grenzen

von Antax Davilon

Das Bestreben, die Natur der Welt zu entdecken und zu erforschen, ist - folgend aus der im ersten Kapitel behandelten Symbolik - gleichzeitig verbunden mit dem Bekenntnis, sich nicht von scheinbaren Hindernissen wie Vorherbestimmung aufhalten zu lassen. Letztere engt das Sichtfeld des idealerweise unvoreingenommenen Wissenschaftlers und Gläubigen nur ein, indem Grenzen aufgebaut werden, die es in Wahrheit nicht gibt. Als persönliche Grenze kann man das Fehlen einer Fähigkeit oder Tugend betrachten, so wie alles, was wir nicht vermögen, uns einschränkt. Die einzigen Grenzen, die auf uns lasten, sind die unserer Vorstellungskraft, unseres Mutes, unserer Tatkraft und unserer Lebenserwartung.

Kann man sich bereits nicht vorstellen, was alles in Zukunft anders sein mag oder was änderbar ist, so laufen auch die beiden danach genannten Tugenden ins Leere, da sie keinen Ansatzpunkt erhalten.

Ist die Idee vorhanden, fehlt es dagegen an Mut, sie umzusetzen oder ihr volle Geltung zu verschaffen, so finden wir einen selbstzweiflerischen Kleingeist vor, der vor sich selbst erschreckt.

So sich jemand eine Änderung vorzustellen vermag und sogar den Mut besitzt, dafür einzutreten, es aber an der Tatkraft gebricht, ist dies um so verdammungswürdiger, weil sich so der faule Mensch zeigt, der aus seinen Fähigkeiten nichts macht und eine Fehlinvestition Gnordins in der Welt ist.

Lediglich das Ende des Lebens stellt sich für den wahren Gläubigen als bisher nicht überwindbare Grenze dar. Mag es auch möglich sein, den einen oder anderen vorzeitig Verschiedenen durch Rituale wieder zurückzuholen, setzt doch das Alter eine Grenze fest, jenseits derer auch dies keine Wirkung mehr zeitigt.

So soll ein jeder bis zum endgültigen Ablauf seines Lebens die ersten drei Tugenden aufbauen und bewahren, Grenzen durchbrechen und sich verständig mit der Welt auseinandersetzen, ohne sich Zügel durch Konstrukte wie "Schicksal" oder üble Prophezeiungen anlegen zu lassen.

Sätze wie "Das ist eben so" oder "Ich kann es nicht ändern" passen nicht in den Sprachschatz eines Gnordin-Anhängers. Genauso ist ein jeder aufgerufen, auch die Gedanken dieses Buches zu hinterfragen und kritisch zu würdigen, um hernach in gemeinsamer Beratung und geistiger Abstimmung mit anderen Studenten der Lehre die vorläufige Wahrheit zu erkennen, welche den bewiesenen Fehlschluß ersetzt.

Es ist gewiß ein Quell der Freude für den Autor jedes Traktates, wenn die Leser damit konform gehen und an den Schlußfolgerungen nichts auszusetzen haben, doch sind wir alle, wie ich meine, erfahren genug, uns Korrekturen gefallen- und andere Meinungen zuzulassen.

So möchte ich schließen mit der Behauptung, daß es keine Grenzen gibt, außer denen, die wir uns selbst setzen und denen, welche zum Zusammenhalt der Welt dienen, und damit meine ich die physikalischen Gesetze der Natur. Sogar hier möchte ich meine Aussage relativieren und auf die Anwendungen der Magie verweisen, welche oft in erstaunlicher Weise von den erwarteten Abläufen der klassischen strengen Wissenschaft abweichen. Zu diesem Thema mehr in Kapitel 7.

(Aus dem Buch Gnordin, Kapitel 2)


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