Nachruf zum Transplantationsgesetz

       Lars Wojtecki , Thomas Stolpmann

 
„Hirntod: Zur Transplantation geeignet.“
Bei ungefähr 2.000 Menschen pro Jahr wird hierzulande diese Diagnose gestellt.
Seit einem Vierteljahrhundert streiten nun schon Experten und Laien darüber , ob ein Hirntoter wirklich tot ist , und darüber ,wer über die Entnahme von Organen entscheiden darf. Deutschlands Transplantationsmedizin arbeitet seit Jahrzehnten in einem rechtsleeren Raum.
Der Bundestag und der Bundesrat haben sich nun für ein Transplantationsgesetz entschieden: Der Hintote sollte sich zu Lebzeiten zur Organspende entschieden haben oder , wie in über 90 % aller Fälle ,seine Angehörigen entscheiden nach seinem mutmaßlichen Willen. Mit anderen Worten: alles bleibt so wie es war - nur verankert und Gesetz geworden. Die Entscheidung für den Hirntod als den Tod des Menschen ist dabei wenig mehr als eine notwendige Voraussetzung zu diesem Gesetz. Die Politik folgt der Einschätzung der Bundesärztekammer - nochmals: Der Hirntod ist der Tod des Menschen.
Die ganze Debatte machte den Anschein, als folge sie einer wissenschaftlichen Notwendigkeit, einer unumstößlichen Tatsache.
Immerhin wird der Hirntod von der überwiegenden Mehrzahl der Mediziner als eindeutig sicher zu diagnostizieren eingeschätzt.
Auch sind sich (fast) alle darüber einig, daß das Gehirn im komplexen System des menschlichen Körpers eine Sonderrolle einnimmt: Steuerung, Integration, Bewußtsein.
Nur inwieweit bei Ausfall dieser Eigenschaften bei Erhalt aller anderer klassischer Lebenszeichen, wie Herzschlag, bereits von Tod gesprochen werden soll - das ist reine Definitionssache. Sie folgt gesellschaftlichen Vorstellungen und Werten, derer allerdings gibt es viele !
Die Emotionalität der vergangenen Diskussion zeigt doch gerade, daß jeder seine eigene ganz persönliche Todesvorstellung hat.
Warum soll oder muß eigentlich davon nur eine gelten ?
Zugegeben: Es gibt nur einen Tod. Doch lassen wir jeden die Grenze zwischen Leben und Tod dort ziehen wo er es will - geben wir doch so jedem die Möglichkeit seinen eigenen individuellen Tod zu sterben: ob nun Herzkreislauf, Hintod oder vielleicht Teilhirntod .
Dieser Vorschlag ist nicht neu und wird in anderen Ländern schon lange diskutiert. Wir hier in Deutschland aber haben bisher unsere eigen Suppe gekocht, ungeachtet dessen was anderswo bereits Thema ist. Es wird lange geredet und am Ende doch die Thematik in seiner Gesamtheit nicht erfaßt.
Schauen wir doch mal in die USA - dorthin wo wir sonst immer so gerne blicken.
Seit Jahren wird dort über den Teilhirntod diskutiert. Müßten wir nicht selbständig atmende Menschen, die allerdings Ihres Bewußtseins für immer beraubt sind, auch für Tod halten, wenn wir unsere jetzige Vorstellung vom Menschen nur konsequent weiterdenken ?
Der Mensch als bewußtseinsfähiges sich selbst begreifendes Subjekt.
Viele halten den Teilhirntod für die logischen Folge des Ganzhirntodkonzeptes - auch in Deutschland.
Offensichtlich ist die Vorstellung von begrabenen atmenden Menschen hierzulande so angstbesetzt, daß man auf der politischen Bühne gar nicht erst darauf eingeht.
Nur: Ignorieren von Argumenten oder Meinungen hat noch nie zu einer mündigen Diskussion geführt.
Wegschweigen funktioniert nicht.
Vielleicht würde sogar eine Diskussion über das Teilhirntodkonzept das Ganzhirnkonzept als dessen Vorfahren entlarven und dieses so gleichsam rückwirkend entkräften. Hat man davor Angst ?
Die Diskussion um unser aller Tod ist weltweit noch lange nicht verstorben, sie hat bei uns aber ein schnelles Ende gefunden. Standort Deutschland .