Tori Amos |
Strange Little Girl |
Released 2001 |
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Mit 'Strange Little Girls' steigt Tori Amos endgültig in die Riege der ganz großen zeitgenössischen Songinterpretinnen auf. Bereits 1992 bewies sie mit ihrer Interpretation des heutigen Nirvana-Klassikers 'Smells Like Teen Spirit' ein sensibles Gespür für die Stimmungen, die einen Song ausmachen. Neun jahre später hat Tori Amos auf 'Strange Little Girls' dieses Gespür dafür benutzt, um ihren männlichen Musikerkollegen auf die Schliche zu kommen. Und um ihnen auf die Sprünge zu helfen. Wer hätte damit gerechnet, dass 'I Don't Like Mondays', ein Song, den Bob Geldof Anfang der Achtziger Jahre als vieldiskutierte Reaktion auf einen Schulhofmord geschrieben hatte, durchaus eine ganz andere Sichtweise zulässt? Tori Amos schlüpft filigran in die Rolle der Protagonisten und schildert auf 'Strange Little Girls' zwölf Songs lang ihren Point Of View. Dabei fließt natürlich auch zahlreiche Kritik an der männlichen Art und Weise, die Dinge darzustellen, ein. Doch Amos geht dabei nicht mit erhobenem Zeigefinger oder mit der emanzipatorischen Brechstange zu Werke. Sie will niemandem beweisen, dass es eine andere, eine weibliche Sicht der Dinge gibt. Sie will sie uns nur aufzeigen, uns darauf aufmerksam machen, dass es im Grunde zwei Formen von Kommunikationen gibt, wenn Männer über oder mit Frauen reden. So gewinnen eigentlich sattsam bekannte Songs wie 'Heart Of Gold' von Neil Young, 'Real Men' von Joe Jackson, 'Enjoy The Silence' von Depeche Mode oder 'I'm Not In Love' von 10CC völlig neue Facetten. Das Ganze würde natürlich im Sande verlaufen, wäre Tori Amos nicht imstande, diese Interpretationen auch musikalisch zu unterstützen. Da wo Slayer 'Raining Blood' martialisch brutal proklamieren, kontert Amos mit einer düster-bedrohlichen Atmosphäre. Genau so muss sich das schutzlose Opfer fühlen, während die Überlegenen ihren Sieg im Blutrausch genießen. Nicht nur diese Interpretation zeigt, dass Tori Amos auf 'Strange Little Girls' keinesfalls lediglich die Kommunikation zwischen Mann und Frau thematisiert. Hier geht es auch um die Täter-Opfer-Darstellung in ein und derselben Situation. Das dabei die Konstellationen Mann=Täter und Frau=Opfer öfter zutage treten, liegt in der Natur der Sache. Tori Amos schwört diese Konstellationen nicht hierbei, sondern führt uns lediglich an die Problematik heran. 'Strange Little Girls' bietet zu viele Facetten und Interpretationsansätze, um sie auf Anhieb zu erkennen und zu verstehen. Es ist ein künstlerisch ebenso brilliantes wie wichtiges Statement einer Künstlerin, die uns hoffentlich noch viel öfter die Augen öffnen wird. |