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Miserere

Zelenka hatte im solennen Miserere in c-Moll von 1738 (ZWV 57) die freie Wahl aller stilitischen Mittel, die der 'Vermischte Kirchen-Stylus' seiner Zeit bereithielt oder zumindest tolerierte. So kommt erst hier die volle schöpferische Individualität zum Vorschein, in einer Tonsprache, die den heutigen Hörer tief zu ergreifen, mitunter aber auch zu irritieren vermag.

Singulär steht das Werk Miserere in seiner Zeit schon durch die Besonderheit, das sein Kernstück (die chorische Durchführung des vollständigen Psalmtextes und eines Teils der abschließenden Doxologie) keine Eigenschöpfung Zelenkas ist, sondern seine Adaption und Textierung eines hundert Jahre älteren, für die Orgel geschriebenen Tonsatzes.

Es handelt sich um ein in vierstimmiger Partitur notiertes Recercare aus den 1635 veröffentlichten "Fiori Musicali" von Girolamo Fresobaldi.Dieses als Ricerca tiefsinnige in der Umarbeitung als "Pseudomottete" aber etwas konturlos wirkende Stück scheint erstmals in der nachmittäglichen Fastenandacht des 8. April 1737 aufgeführt worden und schlicht "durchgefallen" zu sein, denn im Tagebuch der Jesuiten findet sich der Vermerk: "Herr Zelenka führte ein überlanges Miserere auf (Miserere Longissimum)".Für die Aufführung im Folgejahr reicherte Zelenka daraufhin den Chorsatz mit zwei 'moderneren' Ergänzungen an: Als Mittelstück (Gloria Patri I) fügte er eine Sopranarie ein, deren empfindsame Melodik und lebhafte Rhythmik dem aktuellen Neapolitanischen Geschmack entsprach, und als Rahmen des Ganzen schuf er einen Chorsatz über die Anfangszeile "Miserere mei Deus", dessen erschreckende Wucht eine Zumutung für den "bon goût" des galanten Zeitalters war.

Auch der heutige Hörer wird bei einer ersten Begegnung mit diesem Werk ein Wechselbad der Empfindungen durchmachen und zumal den unvermittelten Einbruch des Schlußsatzes ( Miserere III) wie einen Schock empfinden. Von einer klassizistisch geläuterten Formvollendung ist das Miserere C-Moll weiter entfernt als jedes andere Werrk Zelenkas, aber gerade dieses Moment von ästhetischer Verweigerung ist ein eigentümliches Wirkungsquantum der Musik des großen Böhmen.

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