De Profundis
Das 'De Profundis' in d-moll (ZWV 5o) ist der vermutlich einzige erhaltene Teil des Totonoffiziums, das Zelenka Anfang März 1724 in der Dresdner Hofkirche zum Gedächtnis seines Vaters musikalisch ausrichten durfte. Ungewöhnlich und beeindruckend ist hier das Zusammenwirken von drei Posaunen mit einem dreifach geteilten Vokalbaß im mottetenartigen angelegten dreiteiligen Eröffnungssatz: Ein klangliches Bild für die "aus der Tiefe" zum Herren rufende Seele. Seit 1722 wurde in der Dresdner katholischen Hofkirche auf Veranlassung der Kurprinzessin alljährlich ein Gedenkrequiem für ihren am 17. April 1711 verstorbenen Vater, Kaiser Joseph der I., zelebriert. Nach dem Ablebens Heinichens beauftragte Maria Josepha den nunmehr amtierenden Kapellmeister Zelenka mit der Komposition eines neuen Werkes zum gegebenen Anlass. Zelenka, der die Wiener Kirchenmusikpraxis gründlich hatte studieren können, arbeitete seine Komposition recht genau nach dem Muster, das am Kaiserhof für das Anniversarium verbindlich geworden war. Da die Feier den Zeitrahmen von einer Stunde nicht überschreiten durfte, standen für den Anteil der Figuralmusik maximal 45 Minuten zur Verfügung; sollten also die wichtigsten Gesänge der Missa pro Defunctis (?-?) mehrstimmig musiziert werden, verbot sich die Verwendung ausladender Form wie etwa große Arien oder Ensembles von selbst. Sehr überzeugend hat Zelenka das Problem gelöst, die i9 Strophen der Sequenz "Dies Irae" in eine knappe musikalische Form zu gießen, ohne in bloße Deklamation abzugleiten oder der Verständlichkeit des Textes durch übermäßige polyphone Verschachtelung Gewalt anzutun. Berfremdlich, wie ein aufführungspraktischer Missgriff, wird manchem Hörer von heute der klarinettenartige Ton des Chalumeau erscheinen, zumal in der Strophe "Tuba Mirum", wo er mit Recht die schmetternde Trompete des Jüngsten Gerichts erwarten darf. Deshalb sei darauf hingewiesen, dass der um 17oo neuartige Klangtypus des Chalumeau noch keinesfalls mit jenen bukolischen oder folkloristischen Assoziationen besetzt war, die seit dem 19. Jahrhundert der Klarinette anhingen. Im Gegenteil, Zelenka verwendet das Chalumeau bevorzugt an Stellen, wo inniges religiöses Empfinden und Glaubenstiefe zum Ausduck kommen sollen. Also da, wo in Leipzig der Thomaskantor Bach zur Oboe d'amore zu greifen pflegte. |