Marita sah sich hastig um. Neben ihr erschienen Stephanie, Vern und Landis. Die Luft hinter ihnen knisterte leise; ansonsten deutete nichts darauf hin, daß sie sich gerade von Coanthe, 1253 m über dem Meeresspiegel, nach - ja, wohin eigentlich? - bewegt hatten.
"Wir sind wieder komplett," sagte Vern überflüssigerweise, "um ein Haar hätten wir nicht mitbekommen, in welche Richtung Du verschwunden bist." Er klopfte an seinem Anzug herum.
"Gehen wir," brummte Landis ungeduldig. Die Diskette brannte förmlich in seiner Jackentasche.
"Weiß jemand, wo wir sein könnten?" erkundigte sich Stephanie, während sie eine flüchtige Skizze der Gegend auf ihrem Notizblock machte, vor allem natürlich von der Stelle, an der sie gelandet waren.
"Keine Ahnung," meine Marita, "außer, daß auch dies ein denkbar schlechter Ort für eine Modenschau ist."
Sie spähte in die Dämmerung, und zwischen den Ruinen und Verstrebungen aus Stahlbeton, Plastik und Glas, welche den Rest des Gebäudes zusammenhielten, in dessen Mitte sie nun standen, entdeckte das Model ein Hinweisschild: "Dulles Airport, Terminal 3".
Die anderen folgten ihrem Blick.
"Daß es ein Flughafen ist, hätte ich euch gleich sagen können," murmelte Vern.
Stephanie überflog ihre Notizen. "Das war bisher der größte Sprung, schätze ich." Die Sekretärin steckte den Block ein und ging auf einen der Abfertigungsschalter zu.
Landis hatte inzwischen etwas anderes entdeckt. Ein halb verkohltes Ungetüm von einem mannshohen Gehäuse, aus dem elektronische Bauteile ragten, lag begraben unter Fetzen von Wandverkleidung und Strängen von Stromkabeln, die von der Decke herunterhingen. Der Lamer trat ein paarmal gegen das Gerät, und Staub rieselte herunter.
"Ein ´95er Axxon 7 Spielautomat, gerenderte Polygongrafik, sechzehn Millionen Farben," stellte er kühl fest, "was sucht ein Fossil wie das in einem modernen Flughafen?"
"Das nennst Du modern?" fragte Marita, die angewidert einen halben Südseeprospekt fallen ließ, der vielversprechend unter einem Stück Teppich hervorgeragt hatte.
"Postmodern," führte Landis aus und verfiel in Schweigen.
"Hier drüben ist alles verbrannt," rief Stephanie den anderen zu. Auf hohen Absätzen stapfte sie durch Asche und Glassplitter, bis sie durch den zerborstenen Rahmen eines Fensters das Wrack einer Boeing 747 sehen konnte, die neben unidentifizierbaren Trümmern auf den schuttübersäten Resten der Rollbahn stand.
Hinter ihr ertönten scheppernde Geräusche.
Stephanie fuhr erschreckt herum, aber es war nur Vern, der ihr, seinen Musterkoffer umklammernd, gefolgt war.
"Aus dem Flug wird wohl nichts mehr," Vern machte eine unbestimmte Handbewegung Richtung Rollbahn.
"Wohl kaum," gab die Sekretärin knapp zurück. Obwohl sie mit Vern - und den beiden anderen - seit dem Wendepunkt durch die Zonen reiste, machte ihr sein Humor doch zu schaffen. Wenn es tatsächlich Humor sein sollte.
"Wo sind Marita und Landis?" fragte sie.
Der Vertreter deutete vage hinter sich. "Eben waren sie noch in der Haupthalle bei der Zollabfertigung."
Stephanie beschlich ein ungutes Gefühl. "Wir sollten besser zurückgehen," meinte sie.
Vern nickte zustimmend, rückte seine Krawatte zurecht und sah sich argwöhnisch um. Ihre Schritte auf Schutt und Glas waren die einzigen Geräusche, die zu hören waren.
Im Durchgangsbereich zu den Rollbahnen fanden sie Landis, der mißmutig die Schalter des Metalldetektors betätigte.
"Dieses System ist inkompatibel," zischte er.
"Ist auch kein Strom drin," ließ sich von gegenüber die Stimme von Marita vernehmen. Vern betrachtete oberflächlich die zertrümmerte Konsole und den schiefen Rahmen des Detektors, bevor er weiterging. Das Model stöberte in den Resten des Duty-Free-Shops, hatte aber bisher offenbar noch nichts Brauchbares gefunden. Vern stellte fest, daß dieser Bereich nicht ganz so verwüstet war wie der vordere Flügel, und sein Blick wanderte zwischen den verstreuten Waren und Maritas ansehnlicher Rückfront hin und her.
"Meinst Du, das steht mir?"
Das Model hatte zwei T-Shirts aus den Verpackungen gerissen und hielt sie abwechselnd vor sich hin. Auf dem einen stand "11001001", auf dem anderen "Schemurien - das unerforschte Land".
Vern setzte seinen Koffer ab. "Sagt mir beides nicht viel," meinte er unschlüssig.
Marita lächelte. "Dann nehme ich beide."
"Einkauf beendet?" Stephanie lehnte mit verschränkten Armen an einer Säule aus Stahlbeton. Hinter ihr zerrte Landis an irgendwelchen Kabeln.
Der Vertreter machte eine umfassende Bewegung. "Kein profitabler Ort. Wir hätten in Coanthe bleiben sollen." Er warf einen mißbilligenden Blick zu Marita hinüber.
"Es hätte jedem passieren können," warf Stephanie ein, "man kann nie voraussagen, wo eine neue Zone beginnt, das weißt Du doch."
"Wenn sie sich nur nicht so weit vom Brunnen entfernt hätte..." murmelte der Vertreter.
Landis ließ endlich die Kabel fallen und schlenderte zu den anderen. "Wie geht es jetzt weiter?"
"Wir brechen auf und suchen den Zonenrand," schlug Stephanie vor.
"Aber diesmal bleiben wir zusammen," ergänzte Vern und nahm seinen Koffer wieder auf, "wir werden nicht immer so viel Glück haben wie bei der Flucht aus Robotica."
"Wie ihr wollt. Hier gibt es ja nicht einmal Strom," brummte Landis.
Marita knotete sich die T-Shirts um die Hüfte und stolperte durch die Trümmer mit den anderen hinaus in die Nacht.
So sieht es in Yass öfters aus: die Charaktere gelangen an einen fremden, seltsamen Ort, dessen Natur und Hintergrund sich erst mit der Zeit erschließt. In dieser Geschichte wurde zugunsten der Charaktervorstellung auf Interaktion mit gruppenfremden Personen verzichtet. In den Spielen, die durch Yass ermöglicht werden, sind solche Begegnungen jedoch üblich und unverzichtbar.
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