Kleine Stilkunde

von Cassio d´Ril

Hier wollen wir einmal einige Stilelemente des großen drianischen Autors Rigello d´Ril untersuchen.

 

1) die "d´Ril´sche Überkreuzung"

Eines der Hauptcharakteristika von Rigellos Werken stellt die sogenannte Überkreuzung dar. Dabei handelt es sich um den Austausch von zwei benachbarten Worten, um eine Verstärkung der Aussage zu erzielen.

Bekanntestes Beispiel ist die Umkehrung von "man sagt" in "sagt man". d´Ril ging von der Annahme aus, daß dem Satzbeginn die größte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Daher beschloß er für seine Formulierungen, daß schon im ersten Wort ein für die Satzaussage wesentlicher Sinngehalt stecken muß. Wird wie im obigen Beispiel das "sagt" vorangestellt, wird sogleich deutlich, daß es sich um die Wiedergabe von zugetragenen Informationen und nicht etwa um wissenschaftliche Fakten handelt. Das "man" weist dann nur noch auf einen unbestimmten Personenkreis hin, über den sich nichts Genaues aussagen läßt. Damit ist der Informationsgehalt des "man" wesentlich geringer und die Überkreuzung gerechtfertigt.

Analog verhält es sich bei der inzwischen weit verbreiteten Überkreuzung "Und ist dem wohl so", was oft einer unbewiesenenen Annahme nachgestellt wird. Hier wird "dem ist" zu "ist dem" vertauscht. Das "und" stellt eine notwendige Verknüpfung zur Aussage des Satzes, auf den sich bezogen wird, dar, und hat daher den ersten Platz inne. Es wird ersichtlich, daß das "ist" die Kernaussage, nämlich die Bekräftigung, darstellt, während das "dem" nur noch einmal klarstellt, daß der vorige Satz gemeint war - eine Aussage, die bereits aus dem "und" hervorgeht und damit genau wie das "man" des vorigen Beispiels nahezu entbehrlich ist. Da jedoch die unbedingte Klarheit und Genauigkeit der Darstellung eines der Hauptanliegen d´Rils war, hat er auf die Kürzung verzichtet.

Zweck der Überkreuzung ist also die Betonung der Kernaussage. Daher sollte dieses Stilmittel als Geschenk an den Leser, gerade den weniger gebildeten, verstanden werden und nicht als skurriles Erschwernis, welches den starren Lesegewohnheiten widerspricht. Wissenschaftliche Literatur muß bisweilen, wo es notwendig erscheint, mit starren Gewohnheiten brechen, um die Inhalte wirkungsvoll und einprägsam vermitteln zu können.

 

b) die "untautologische Wiederholung"

Zu Unrecht wird d´Ril des öfteren vorgeworfen, er würde den gleichen Sachverhalt mehrfach darstellen und sich damit unnütz wiederholen. Betrachtet man die betreffenden Textstellen jedoch genauer, so läßt sich erkennen, daß das behandelte Thema in der "Wiederholung" aus einer anderen Perspektive, einer anderen Zeit heraus oder von einer anderen Quelle geschildert wird, wodurch sich kleine, aber signifikante Unterschiede ergeben können, welche den Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen können.

Zum anderen verwendete Rigello dieses Stilmittel, um den Leser an bestimmte, historisch wichtige Ereignisse, die sich durch das ganze Buch ziehen, zu erinnern, wie etwa den unglücklichen Tod des letzten Eichohrkätzchens, welcher von tragischer Konsequenz für ganz Dria war. (Aus bestimmten Gründen kann ich hier hinsichtlich jener Konsequenz nicht weiter ins Detail gehen; im "Buch Rigello" wird allerdings das Wesentliche erwähnt).

Das, was von oberflächlichen Lesern als irritierende Mehrfachbehandlung der gleichen Sache angesehen werden mag, stellt damit ein höchst wirksames Mittel dar, einprägsam Inhalte zu vermitteln und tatsächlich nur einmal - allerdings von verschiedenen Seiten her - abzuhandeln.

 

c) die "Detailverfolgung"

Der schwerste Vorwurf wird Rigello (und seinen Nachfolgern) hinsichtlich des Eingehens auf vermeintlich unwichtige Details unter Außerachtlassung des Hauptthemas gemacht.

"Das dauernde Abweichen und Abirren vom Thema, wie es d´Ril an den Tag legt, macht mich noch verrückt. Ich halte das generell für unlesbar," schrieb schon der Kritiker Holv Gensmer im Jahr 294Tr in einem vergleichenden Traktat über zeitgenössische Literatur. Das hat seinerseits ihm scharfe Kritik eingebracht, und er mußte sich belehren lassen, einige wichtige methodische Grundprinzipien nicht verstanden zu haben.

Die komplexen Themen, an die sich d´Ril heranwagte, waren naturgemäß mit neuen Begriffen sowie mit in der Öffentlichkeit wenig bekannten Personen und Orten verbunden. Rigello stand vor der Wahl, Fußnoten zu benutzen oder die Erklärungen direkt in den Text einzufügen. Die Verwendung von Fußnoten hätte jedoch jedesmal einen Bruch des Textflusses - sowohl auf seiner Seite beim Verfassen als auch später auf der Seite des Lesers - bedeutet. Außerdem birgt die Verwendung von Fußnoten auch Probleme bei Abschriften, insbesondere wenn dabei von verschiedenen Schreibdiensten je nach Ausgabe verschiedene Seitenformate verwendet werden.

Daher war es eine logische Entscheidung, die Erläuterungen im fortlaufenden Text unterzubringen, um eine Verständlichkeit zu gewährleisten. Die Verfolgung von Details, die niemals unwichtig sind, ist bei d´Ril stets endlicher Natur, was schon daran erkennbar wird, daß er schließlich immer auf den thematischen Faden von zuvor zurückkommt und diesen erweitert. Die Komplexität der Inhalte bedingt eben die Behandlung von Dingen, die auf den ersten Blick unbeachtlich scheinen. Erst wenn sie in einen größeren Kontext eingeordnet werden, erschließt sich dem Leser das volle Verständnis der Geschehnisse. Es bleibt ihm überlassen, sich selbst eine Meinung und Chronologie zu bilden. Im übrigen spricht auch nichts gegen das Hinzuziehen von Referenzwerken, welche hinsichtlich der zeitlichen Angaben reichhaltiger ausgestattet sind. Es wäre ohnehin unwissenschaftlich, sich beim Studium der drianischen Geschichte nur auf ein Buch zu verlassen. Es war auch nie d´Rils Absicht, lediglich ein trockenes Geschichtsbuch zu schreiben. Er wollte philosophische Standpunkte (besonders natürlich den von Rifkin) wie auch magiebezogene Elemente einbringen, um vor dem Hintergrund ausgewählter Orte beispielhaft den Stand der historischen Position Drias aufzuzeigen.

Zu diesem Schluß ist ja auch die Autorenkommission gekommen, die ihm sein Werk als Namensbuch anerkannt hat, womit es höchsten Status genießt und als grundlegende Referenz anzusehen ist.


Zusammenfassend läßt sich schon aus diesen wenigen Stilbeispielen entnehmen, daß Rigello d´Ril zwar kein typischer, aber nichtdestotrotz ein würdiger Vertreter der drianischen Literatur ist und dort stets seinen Platz haben wird.

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