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05.04.2001
F u s i o n B I L D / T - O n l i n e
BILD Dir meine Meinung!
Der Expansionstrend des Axel-Springer-Verlags bietet Anlass zu der Frage, ob die deutsche Medienlandschaft auf gefährliche Abgründe zutreibt.
von Andreas Menn
Darauf haben die Strategen aus dem Hause Springer doch nur gewartet: Die Bild-Zeitung, selbsternanntes Sprachrohr der Nation, verschmelzt ihren Internet-Auftritt mit dem Telekommunikationsportal "T-Online". Die beiden Marktführer ihrer Sparten bündeln damit ihre Energien zu einem medialen Machtkartell, dessen Größe beängstigend wirkt.
Nicht nur, dass sich die Bild-Zeitung damit aufschwingt, einen strategisch wichtigen Einstieg in das deutschsprachige Internet mit ihrem Logo zu tätowieren und mit ihren Inhalten zu durchweben. Zusätzlich liiert sie sich mit einem Konzern, dessen Aktienmehrheit noch immer in den Händen des Staates liegt. Die Kooperation mit dem ZDF komplettiert den Deal, mit dem sich der Springer-Verlag wichtige Schaltzentralen in der Medienlandschaft sichert.
Wer die Berichterstattung aus dem Hause Springer kritisch begutachtet, wird das kaum als eine wünschenswerte Entwicklung gutheißen. Der wohl mächtigste Medienkonzern Europas erreicht allein mit seinem Flagschiff "BILD-Zeitung" elf Millionen Leser. Die Redakteure der BILD können sich gut und gerne als erfolgreichste Meinungsmacher der Nation bezeichnen. Das Rezeptionsverhalten der BILD-Leser ist unkritisch. Allzu oft gilt als wahr, was die BILD schreibt, und in der BILD-Redaktion nennt man auch öfters mal wahr, was man selber dazu erklärt.
Das Ziel ist die politische Lenkung der Massen, und das scheint der BILD immer wieder zu gelingen. Die politischen Debatten der letzten Wochen erhielten stets aufs Neue gezielte Anstöße durch die BILD, zuletzt in der Frage nach dem "Nationalstolz". Allein das Hecheln um die Gunst der Leser, die plumpe Anbiederung in saloppen Sprüchen und hetzerischen Schlagzeilen, machen die BILD zum widerlichen Medium der Demagogie. Dazu tragen immer wieder auch die beliebten Kolumnen bei, in denen selbsternannte Experten ihre exquisite Ansicht der Dinge zum Besten geben. Die Masse glaubt, was dort geschrieben wird, und freut sich, wenn endlich mal einer schreibt, was doch insgeheim "alle denken".
"Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut in akzeptabel."
Max Goldt
Die verzerrende Darstellung und Meinungsmache hält aber nicht hinter den Spaltenwechseln der Kolumnen inne. Die Artikel selber bilden eine beispiellose Anhäufung einseitiger Politisierung. Die Mittel für propagandistische Zwecke sind im Grunde immer gleicher Natur. Ausgeweidet werden jeweils die großen Skandale, sei es BSE, Maul- und Klauenseuche oder was ansonsten gerade ansteht - die BILD-Macher haben jederzeit eine vorgefertigte Meinung parat. Dazwischen kommt dann der gute Bürger von nebenan zu Wort, und das Einzelschicksal wird in tränenreichen Episoden vorgeführt.
Die Wortwahl ist dabei salopp, die Sätze nicht länger als zehn Worte, denn sonst wäre schon ein großer Teil der Leser überfordert. Die Inhalte werden auf den entscheidenden Punkt gebracht, immer fett und möglichst groß. BILD-Schlagzeilen differenzieren nicht, sie proklamieren. Und so kann Deutschland an jeder Straßenecke lesen, was die größte Meinungsschmiede der Nation zu sagen hat. "Wo warst Du, Gott?", fragt BILD beim Fund der ermordeten Ulrike. Anführungszeichen sucht man vergeblich, und das ist auch so gewollt, denn BILD schreibt, was der Mann auf der Straße sagt.
Leider ist es meistens umgekehrt: Der Mann auf der Straße plappert nach, was die Redakteure der BILD gerade wieder hernieder getippt haben. Auch die gängigen Methoden der Manipulation werden dabei schamlos ausgespielt. Da zeigt ein Foto Jürgen Trittin zwischen bewaffneten Autonomen. Was die BILD in fetten Lettern als "Schlagstock" kennzeichnet, ist in Wirklichkeit ein Seil, und der "Bolzenschneider" ein Dachgepäckträger.
Die Entschuldigung der BILD-Zeitung fiel recht einsilbig aus, der Fall wurde bagatellisiert. Trittins Image unter den BILD-Lesern ist dessen ungeachtet wohl noch tiefer gesunken, als es die Schreiber des Boulevardblatts bereits erreicht hatten. Die BILD gibt sich weiterhin als das Journal, das sich nichts bieten lässt und Skandale schonungslos aufzudecken gedenkt. Der fahrlässige Umgang mit Wahrheit und Objektivität gehört zur bewussten Methodik des Massenblatts, das sich selber zum Sprachrohr der Nation ernannt hat.
BILD Dir Deine Meinung – das wahre Ziel dieses Massenblatts, das seine Leser duzt, ist das Umformen der Meinungslandschaft nach dem Willen des Springer-Verlags, die vollkommene Gleichschaltung der Massen. BILD bedient den Mehrheitsgeschmack, den sie gleichzeitig manipuliert und nach eigenem Gusto formt. So gerät die Beziehung zwischen Lesern und Redaktion zu einer verschworenen Gemeinschaft, die sich ihre eigene Identität aufbaut. Die Macher der BILD sitzen allerdings am längeren Hebel, denn sie haben die Mittel, um Trends zu setzen. Mit der Fusion mit t-online haben sie nun ein weiteres Instrumentarium hinzubekommen. T-Online liefert eine Infrastruktur, mit der sich völlig neue Möglichkeiten der Vermarktung eröffnen. Das Surfverhalten der User kann nun haargenau nachverfolgt werden, Texte können anhand ihrer Popularität und Leserwirkung gestaltet werden. Journalismus verkommt zum reinen Quotengeschäft.
Überdies weitet sich der Einflussbereich des Springer-Verlags durch die Fusion nun schon ins Halbstaatliche aus – Bild als Halbgott der Nation. In Wirklichkeit betrachten sich die Macher des Boulevardblatts bereits als eigene staatliche Institution, immerhin sind sie schon mit Gott auf Du („Wo warst Du, Gott?“).
"Die Menschen kämpfen nur noch für Hunde und Benzin"
Jan Delay
Dass politische Themen wie die Ökosteuer auf unverantwortliche Weise simplifiziert werden, ist bedenklich. Mit Reizthemen und Schlagworten Politik zu machen, muss man ja heute schon den Parteien selber vorwerfen. Wenn nun auch die Medien endgültig diesen Trend einschlagen, wird es heikel.
Für eine Demokratie ist es nicht tragbar, wenn ein Konzern sich anschickt, das Informationsmonopol über die breiten Massen zu erlangen. Die politische Hetze gegen die Bundesregierung entbehrt jeder journalistischen Objektivität und Verantwortlichkeit gegenüber der Wahrhaftigkeit. Sie ist schlichtweg organisierte Stimmungsmache. In zwei Jahren kann das wahlentscheidend sein.
Indessen geht der Expansionstrend des Springer-Verlags munter weiter. In der Konzernzentrale denkt man derzeit ernsthaft darüber nach, auf dem Markt der Gratis-Blätter einzusteigen. In Köln ist man da schon mit der "Köln-Extra" vorangeschritten, einem Blatt, dessen Themen mit Sex, Skandalen und Tiergeschichten den Massengeschmack wunderbar bedient. Bald sollen nun auch in anderen Großstädten ähnliche Tageszeitungen kostenlos an den Bahnhaltestellen zu erhalten sein. Springer denkt dabei an eine Kooperation mit dem schwedischen Schibsted-Verlag, der mit der "20 Minuten-Köln" erst den Gratisblätterwald aufgeforstet hatte.
Dass das keine segensreiche Fusion wird, kann man sich leicht ausmalen. Denn dann wird das Land endgültig allerorts mit Springers Meinungsmüll eingedeckt.
 
 
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05.04.2001
Die BILD-Zeitung sieht sich als Sprachrohr der Nation. Ihre Leser hat sie heute schon im Griff.
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