Musik und Gesellschaft

Nur Schall und Rauch?

In der "Mainstream-Musikkultur" ist Beschäftigung mit aktuellen gesellschaftlichen Problemen eher die Ausnahme. Ein Grund mehr, andere Musikrichtungen in dieser Hinsicht unter die Lupe zu nehmen.

Die Themen der kommerziell erfolgreichen Bands gleichen sich bis in die letzte Einzelheit. Die sich im einmonatigen Rhythmus abwechselnden Ohrwürmer sind immer nach dem gleichen Schema aufgebaut: Eingängige Melodien, Texte, in denen die Wörter "love, clouds, sky, joy etc. hochfrequent sind, sich nach Möglichkeit auch reimen. Ernsthafte Musik, die nicht vom Markt diktiert wird, ist in diesem Segment nicht zu finden, durch ewige Variation der Hollywoodillusion von der problemlosen, konfliktfreien Liebe ist in der Popmusik eine sterile Monotonie entstanden.

Nur zu verständlich erscheint es, dass Bands, die Inhalte präsentieren möchten, auch zu anderen musikalischen Mitteln greifen. Die in den siebziger Jahren beginnende Punkkultur ist ein Beispiel, aber auch heute läßt sich Vergleichbares entdecken, auch in Bereichen, die in der öffentlichen Meinung stigmatisiert sind. Wenig mehr als Krach und schockierende Texte dürfte der durchschnittliche Musikkonsument von Metal- und Hardcorebands erwarten, eine Vorverurteilung, die sich bei näherer Beschäftigung mit dem Gebiet kaum aufrechterhalten lassen dürfte. In dieser Darstellung soll eine Band exemplarisch vorgestell werden. dogma ivs ( www.dogmaivs.com ) ist ein Paradebeispiel für eine politisch engagierte Band, die mit teilweise provokanten Texten Mißstände unseres gesellschaftlichen Weltbildes aufzeigt und mit treffender Kritik thematisieren und zum Nachdenken anregen möchte. Der Song "Feldzug" räumt mit der immer noch vorhandenen Kriegsmystik auf, nennt als schöden Grund für Agression den Applaus.

Feldzug

Lauernd kriecht der Geduckte
aus dem Erdenreich heraus,
Sieht die Chance...riecht den Erfolg
den Schlüssel zum Applaus
Jahre gewartet...nun ist es soweit...
Wie eine Schlange im Schlamm...
endlich erhört, zum Todesschlag bereit...
Kriecht die Ratte aus dem Loch!

Menschen Rennen...Häuser brennen
Feuerschein und Hatz...Schreie in der Nacht..
Leichenberg auf dem Platz...
Vergessen ist das Gas !
Vergessen ist das Kreuz!
Der Feldzug ist vollbracht...

Schatten fliehen durch Beton,
Häuser brennen zum Fanal,
Schreie in der Nacht
Vernichtung und Triumph
Vergessen ist das Gas
Vergessen ist das Kreuz
Der Feldzug ist vollbracht...

Der Kosovokrieg (Europas Sturz) wird ebenso thematisiert wie die Probleme der zukünftigen Gesellschaft (Feuersturm). Den Kontrapunkt zu diesen Texten wird durch Verse gesetzt, wie sie etwa in "In Memory" zu finden sind.Mit Sicherheit ist die Musik gewöhnungsbedürftig, ebenso sicher ist, dass mit den verwendeten Mitteln keine massen- und markttaugliche Musik produziert werden kann.Gerade deshalb lohnt es sich, die zum Teil vehementes Aufbegehren ausdrückenden Lieder zu hören, die mit einem ganz anderen Ernst geschrieben worden sind als die seichten Popsongs. Im Fall von dogma ivs kommt noch hinzu, dass auf Schockeffekte, überhaupt auf Effekthascherei verzichtet wird. Zuweilen lohnt es sich, den Hauptstrom der Musik zu verlassen und in den Nebenarme nach Hörenswertem zu suchen.


   
18.02.2001