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Eine Feder für Springer
Oscar Lafontaine in Lohn und Brot bei der "Bild"
von Andre G. Nadler
Die Bildzeitung plant eine pluralistische Berichterstattung über aktuelle politische Fragen, sie hat mit Lafontaine und Gauweiler je einen Politiker von Union und SPD verpflichtet, zu aktuellen politischen Fragen Stellung zu nehmen. Sollte dies tatsächlich die Absicht sein, wäre das als lobenswerter Schritt in Richtung Liberalisierung des Springer-Flagschiffes zu werten. Darüber hinaus bestehen gewisse Hoffnungen, dass sich die beiden neuen Kolummnisten nicht dem Jargon der Redakteure anpassen und für eine wohltuende Abwechslung im sprachlichen Einheitsbrei des Blattes sorgen werden.
In normalen Zeiten bestünde die oben erwähnte Möglichkeit durchaus - auch die andere große Zeitung des Konzerns, die "Welt" hat eine Phase der Liberalisierung durchgemacht, die allerdings schon wieder beendet zu sein scheint. Die für den liberaleren Kurs verantwortlichen Redakteure sind längst nicht mehr in leitenden Stellungen, die letzten Monate offenbarten eine neue Strategie des Springer-Konzerns. Mit journalistisch fragwürdigen Mitteln wurde die
Regierung angegriffen, die Zeit der Kampagnen gegen "Links" scheint zurückgekehrt. Joschka Fischer und Jürgen Trittin waren die ersten Ziele der Heckenschützen in "Bild" und "Welt". Der Bundeskanzler wurde angegriffen, weil er vor Jahren sein Geld als Strafverteidiger verdient hat - seriöse Berichterstattung ist in derartigen Methoden nicht zu erkennen. Eher dürfte zutreffen, dass Springer "Rot-Grün" stürzen möchte - und den Redakteuren des Konzerns jedes Mittel recht ist, um diesen Beweis eigenen Einflusses zu erbringen.
Vor diesem Hintergrund möchte sich die "Bild" den Anstrich des Pluralismus und der Überparteilichkeit geben und gibt je einem Politiker der Union und des SPD die Möglichkeit, zum aktuellen politischen Geschehen Stellung zu nehmen. Dabei ist auffällig, daß der Part der Union von einem CSU-Mann übernommen wird - wäre es nicht angemessener, zwei Vertreter der großen Parteien einander gegenüberzustellen? Weitere Merkwürdigkeiten sind festzustellen. Warum Gauweiler? Warum Gauweiler, der selbst in der CDU Rechtsaußen ist?
Harsche Kritik an der Regierung dürfte dieser Mann üben, vielleicht auch in Punkten, wo CDU und SPD sich weitgehend einig sind - wie etwa der Europapolitik. Das Feld "Regierungskritik" ist also belegt - der etatmäßige Vertreter hat ein besonderes Kaliber. Es wäre nun bei ernst gemeintem "Pluralismus" ein Vertreter der Regierung auf der Gegenseite zu erwarten gewesen, jemand, der im Stande ist, die Attacken zu parieren. Oscar Lafontaine, der bei weitem prominenteste Schröder-Gegner in der SPD wird das nur mit begrenztem Elan
tun, sein Herz schlägt bekanntlich linker als dasjenige Schröders. Weitaus wahrscheinlicher als jede energische Verteidigung ist, dass Lafontaines Aufgabe im Sinne der Springer-Redakteure die Attacke von links sein soll - eine Aufgabe, für die Lafontaine der einzige geeignete Politiker in der gesamten Linken ist.
Es bleibt offen, wie Lafontaine sich zur Annahme des Kolummnistenpostens in einer Zeit entschließen konnte, in der die Bildzeitung schwere Breitseiten gegen seine eigene Partei, gegen seine eigenen Gesinnungsgenossen abfeuert. Dass diese Zeitung keinen wirklichen Pluralismus anstrebt, muss ihm klar gewesen sein. Moralisch stellt er sich mit diesem Schritt ins Abseits, die Rückkehr in führende Positionen der Partei, der er durch seinen Schritt in den Rücken fällt, dürfte ihm verbaut sein. Seinem Herzem bleibt in Zukunft nur noch übrig, für Springers Geld zu schlagen...
 
 
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18.02.2001 |