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"If we don't succeed, we run the risk of failure."
Wie Internet-User weltweit das Medium "e-mail" nutzen, um ihre Meinung zur US-Wahl zu verbreiten
Andreas Menn
Die Wahl ist entschieden. George Bush ist Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, obwohl das Volk seinem Kontrahenten weit über 300.000 Stimmen mehr zusprach. Bush sah sich schon als Präsident, als der Skandal von Florida publik wurde, und er musste seine Siegesrede widerrufen. Damit begann ein Debakel, wie es die USA noch nie erlebten. Stimmzettel mussten überprüft werden, die Parteien bemühten Richter und Rechtsanwälte, und aufgebrachte Wähler gingen auf die Straße, weil sie sich um ihre Stimmen betrogen fühlten. Letzendlich entschied die Justiz über das Ergebnis einer Wahl, in der der Sieger auch ein Stück weit der Verlierer ist.
Derweil nahm das Gelächter kein Ende über die Mißstände der Demokratie jener Nation, die sich für die Stärkste und Mächtigste des Erdballs hält. Amerika musste wohl oder übel den Spott der Weltöffentlichkeit über sich ergehen lassen, der sich in den Titelseiten der Presse konzentrierte. Der einzige, der das Geplänkel gelassen betrachtete, war Noch-Präsident Bill Clinton. Schon längst auf Abschieds-Tournee um den Globus jettend, kommentierte er das Wahl-Debakel mit den lässigen Worten: "Das amerikanische Volk hat gesprochen. Wir wissen nur noch nicht genau, was es gesagt hat..."
Während die Bevölkerung nur geringen Einfluss auf das Ergebnis der Streitigkeiten ausüben konnte, offenbarte sich das Internet verstärkt als internationale Meinungsplattform. In den Foren diskutierten Menschen aus aller Welt über die Wahl und das amerikanische System.
Beliebt und wirkungsvoll zeigte sich aber auch verstärkt das Medium "e-mail". Schon heute vernetzt das Internet Millionen von Menschen über den gesamten Globus hinweg. Binnen Sekunden lassen sich Fakten und Informationen zwischen den Kontinenten austauschen. Dabei zeigt sich die Funktion, eine Nachricht an ganze Adressbücher weiterzusenden, als wirksamer Muliplikator. Auch über Mailinglisten erfährt eine Nachricht erstaunlich starke Verbreitung.
Vor der US-Wahl wurde dieser Informationsweg von vielen effektiv genutzt, um politische Meinungen zu verbreiten. Auffallend umfangreicher war dabei der Einsatz der Gore-Befürworter. In einigen Rundmails erfuhr man da unvorteilhafte Fakten über die politischen Bekundungen Bushs. Besonders populär war dabei natürlich die Aufzählung der verhängten Todesstrafen in Texas, mit denen sich Bush wahrlich keine philantropische Miene gab. Auch die ebenfalls nachteilig erscheinenden Fakten über die sozialen Zustände des Staates Texas boten Stoff für deftige Anti-Bush-Mails.
Deren Wirkung scheint sich allerdings mehr in Europa als in den USA selber geäußert zu haben, wie das Wahlergebnis verdeutlichte. Der amerikanische Neoliberalismus und der knallharte Realismus, der so oft die konservativen außenpolitischen Vorstellungen der Amerikaner prägte (man denke an die umstrittenen Raketenabwehrpläne), wurden in Europa weitaus kritischer beäugt als in Amerika selber. Letzendlich konnte sich Bush schließlich gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit durchsetzen.
Nach der Wahlnacht herschten in den Mail-Debatten vorwiegend Spott und Gelächter. Es ist schon erstaunlich, welche kreativen Potentiale durch das politische Ereignis geweckt wurden. Weite Verbreitung etwa erhielt jene mail, in der die Königin von England die Unabhängigkeitserklärung widerruft ("Notice to Americans of revocation of independence from the government of her Majesty Queen Elizabeth II").
"Her Sovereign Majesty Queen Elizabeth II will resume monarchial duties
over all states, commonwealths and other territories. Except Utah, which
she does not fancy", heißt es da, und es folgt eine Auflistung der Veränderungen, die die "Revocation" zur Folge habe, womit einige häufig als arrogant empfundene amerikanische Attitüden mächtig aufs Korn genommen werden: "There is no such thing as ‚US English'."
Witze und Cartoons gingen ebenfalls durch das weltweite Datennetz, so etwa jene Snickers-Werbung ("Wenn's mal wieder länger dauert..."). In einem Witz wird Bush als dumm dargestellt, indem der Autor ihn in einem Restaurant einen "Quickie" statt einer "Quiche" bestellen lässt. Andere mails thematisieren Bushs verbale Aussetzer mit ernsterem Gestus und reihen diese gleich als Zitatsammlung aneinander. Wer also mehr über den neuen Präsidenten der USA erfahren möchte, möge sich einige jener Zitate durchlesen. Und wie immer gilt: Keine Gewähr...
 
 
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3.Ausgabe_17.12.2000
"Wenn's mal wieder länger dauert" - die Wahlschlacht als Snickers-Werbung |