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Eine neue Kultur der Ausgrenzung
Über die Debatte zum NPD-Verbot
Andre G Nadler
Kultur? Ausgrenzung? Man könnte es für leicht provokant halten, diese Begriffe in einen Zusammenhang zu setzen. Vor allen Dingen der Zeitpunkt scheint ungeschickt gewählt zu sein, ist doch die Phase der Toleranz gegenüber extremistischen Gruppierungen des rechten Spektrums vorbei.
Die Demokratie scheint sich aufzuraffen zu einem wirksamen Vorgehen gegen fremdenfeindliche und neonazistische Kreise, auch wenn dieses Vorgehen wie üblich von Theaterdonner und markigen, bedeutungsschweren Sprüchen begleitet ist. Die Geschütze des Staates sind aufgefahren, das Volk geht auf die Straße, alle demokratischen Parteien bilden eine einheitliche Front gegen ... nun gegen eine Ansammlung von Schlägertypen, untereinander uneinig, in verschiedenen Splittergruppen zusammengehalten von einer intelektuell kümmerlichen Funktionärsstruktur.
37000 Mitglieder rechter Parteien, deren Aktivität sich auf das Kleben von Plakaten beschränkt. Etwas über 6000 Aktivisten, die den "harten Kern" bilden könnten - wenn sie sich nicht auf 126 Gruppierungen aufteilen würden, von deren Organisationsstruktur der Verfassungsschutzbericht nur zu sagen weiß, dass sie in gewissem Maße vorhanden sei.
Des weiteren kann die bestinformierte Behörde unseres Landes berichten, dass die Szene
weder über ein politisches Konzept noch über die Stukturen verfügt, die einen terroristischen
Kampf im Sinne der RAF ermöglichen würden. Beiläufig wird dann auch noch erwähnt, dass der gewaltbereiten Szene die Führungspersönlichkeiten fehlen, die einen zielgerichteten Terrorismus initiieren und koordinieren könnten.
Soweit die offizielle Eischätzung des Feindes, den sich die aufrechten Demokraten gewählt haben. - Vermutlich schon im Vorgefühl des zu erwartenden Sieges, der m.E. nicht lange auf sich warten lassen dürfte: Einige Jahre staatlichen Druckes - immerhin soll der BGS eingesetzt werden - werden dafür sorgen, dass die Gewalttäter aus dem politischen Spektrum unseres Landes verschwinden. Danach wird man einen weiteren Sieg der wehrhaften Demokratie feiern, der Akte "Rechtsextremismus" einen Platz neben der Akte "RAF" im Archiv der politischen Erfolge der Demokratie zuweisen und zur Tagesordnung übergehen.
Nebenbei wird man auch weiterhin das Milieu bedienen, aus dessen diffusen Instinkten den Neonazis die Sympatien zufließen, die sie als ihren Rückhalt in der Bevölkerung verstehen.
Es werden weiterhin Parolen ausgegeben werden, die der Fremdenfeindlichkeit gefährlich nahe kommen - um Wählerstimmen zu erlangen.
Die momentan so aufrechten Demokraten in den Reihen der Union sind auch die populistischen Strategen, die noch vor Jahresfrist mit Sprüchen a la "Kinder statt Inder" oder "Ausbildung statt Einwanderung" auf Wählerfang gingen.
Einen gewissen Opportunismus muss man wohl konstatieren, wenn eine Diskussion über "deutsche Leitkultur" ausgerechnet während einer Zeit begonnen wird, in der der Kampf gegen die Fremdenfeindlichkeit zum ersten Mal energisch geführt wird, noch dazu von den gleichen Personen, die am eifrigsten auf ein Verbot der NPD hinwirken. Ein gehässiger Feind der Union könnte an dieser Stelle an "Zuckerbrot und Peitsche" denken, oder vermuten, dass
das Hauptinteresse der Union die Wählerstimmen der NPD sind, die wohl kaum SPD oder
Grünen zukommen dürften.
Diesen Gedanken möchte ich den Konservativen nicht unterstellen, Inkonsequenz, Doppeldeutigkeit und Gedankenlosigkeit aber müssen ihnen vorgeworfen werden. Derartige Äußerungen machen einen qualitativen Unterschied zwischen Deutschen und Ausländern, wo
derartige Unterschiede einmal existieren, lassen sie sich immer zu Extrempositionen erweitern.
Die Einwanderung nach Deutschland darf nicht den Charakter eines Gnadenaktes, eines Segens erhalten, in dessen Genuss nur auf Brauchbarkeit und Gesinnung geprüfte Ausländer
gelangen. Einwanderer unter solchen Vorzeichen werden immer nur Geduldete sein, wo sie
Gäste sein sollten, um später Teil der Nation zu werden - soweit man im heutigen Europa noch in nationalen Kategorien denken kann. Geduldete im Land ihrer Wahl, dass ist nicht das
sicherste Leben, wenn man bedenkt, dass die ersten Opfer schlechter Zeiten immer die bloß Geduldeten waren.
Es gibt Kreise in Deutschland, die nicht bereit sind, zu akzeptieren, dass auch Angehörige anderer Kulturen ihre Nachbarn sein können. Sie sind in ihrer Feindseligkeit bereit, zu dulden, so lange die Notwendigkeit dazu besteht. Aus diesem Milieu stammt das Gedankengut der Neonazis, aus diesen Elternhäusern wird auch eine neue Generation jugendlicher Schlägertypen auf die Straße entlassen werden.
Wer prinzipiell feindselige Haltungen akzeptiert, mehr noch sie fördert, ist mitverantwortlich für ihre Auswüchse in der Zukunft und mitschuldig an Gewalt und Mord. Dieser Tatsache muss die Union sich bewusst sein, wenn sie versuchen sollte, die nächsten Wahlkämpfe auf der bekannten Basis zu führen.
 
 
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3.Ausgabe_17.12.2000 |