Das Rügenwalder Herzogsschloß.

Wann das Rügenwalder Schloß entstanden ist, und wer es erbaut hat, das wissen wir nicht. Durch die Bodenuntersuchungen des Landesgeologen Prof. Keilhack 1897 ist festgestellt, daß die Wipper in einem künstlichen Durchstich die Stadt durchfließt. Er schreibt darüber: "Dieser ganze Wipperlauf von der Schneidemühle südlich von Rügenwalde an bis zur Mündung ist zweifellos ein künstlicher, angelegt, um das Gefälle des Flußes für die zum alten pommerschen Herzogsschloßes gehörende Mühle nutzbar zu machen und zugleich die Burg durch einen vorzüglichen, fließenden Schutz- und Wallgraben zu sichern. Der alte Wipperlauf ging weiter nach Westen, und der Fluß mündet, nachdem der vorher die Grabow aufgenommen hatte, durch das Böbbliner Deep in die Ostsee, früher vielleicht in den Buckower See".. Bronzefunde im Wipperbette beim Schloße zeigen, daß hier schon in vorgeschichtlicher Zeit eine Ansiedlung bestanden haben muß.

Der Anfang der Geschichte für den Kreis Schlawe im 13. Jahrhundert liegt im Dunkeln. Wir wissen nur, daß im Lande Schlawe ein Teilfürstentum bestand, dessn Grenzen sich ebensowenig genau nachweisen lassen wie sein Verhältnis zu den Fürsten von Ost- und Westpommern unklar ist. Das Land zwischen Wipper und Grabow war ein Zankapfel zwischen Pommern und Pommerellen, den Rügschen Fürsten, den Markgrafen von Brandenburg, den Polen und dem Deutschen Ritterorden. Diese Wirren benutzte das alteingesessene Dynastengeschlecht der Swenzonen, um eine nahezu fürstliche Stellung zwischen Gollen- und  Weichsel einzunehmen. Durch kluge Stellungnahme zu den streitenden Parteien wurden die Swenzonen Kastellane von Stolp, Paladine von Danzig und Herrn der Lande Schlawe, Rügenwalde, Pollnow, Tuchel und Neuenburg. Drei Burgen treten im Lande Schlawe hervor: Dirlow an der Wippermündung, Altschlawe und Pollnow. Im Lande Dirlow wurde 1270 von Wizlaw II. die Stadt Rügenwalde zum ersten Mal gegründet, und nun wird in alten Urkunden sehr häufig Dirlow und Rügenwalde verwechselt. Diese 1. Gründung von Rügenwalde wurde in den langwierigen Kämpfen zwischen Polen und Pommern fast vernichtet, und daher erfolgte 1312 ihre Neugründung durch die Swenzonen. 1327 gestand Jasco von Swenzo der Stadt das  Recht zu, die Burg Dirlow abzubrechen, die nun aus der Geschichte verschwindet. 20 Jahre später erkannten die Swenzonen Bogislaw V. als ihren rechtmäßigen Landesherren an. Damit war Rügenwalde an das Pommersche Herzogshaus gekommen. 1352 kauften die Herzöge die neu angelegte Mühle (heutige Schloßmühle) und gelangten dadurch wahrscheinlich in den Besitz der befestigten Ansiedlung auf dem Grund und Boden des heutigen Schlosses. Diese Anlage bauten sie in der Folgezeit zu einem Residenzschloß aus. Die heute noch erhaltenen Gebäude rühren also von einem Neubau her, der kurz nach 1350 begonnen sein muß; denn 1372 auf Pfingsten war Bogislaw V. mit seinem Bruder und Neffen und zahlreichem Gefolge auf dem Schlosse zu Rügenwalde anwesend. Die umfangreichen Keller dürften nach Art ihrer Anlage bis auf 1270 zurückgehen.

Das Schloß liegt auf einer durch Wipper und Schoßgraben gebildeten Insel im Südosten der Stadt; es ist eine alte Wasserburg. Es hat einen rechteckigen Hof, der von vier massiv aufgeführten Gebäuden umgeben war. Die Mauern sind stellenweise 2 Meter stark. Wir wollen die Bauten den Wipper-, Turm- Kirchen- und Torflügel nennen. Der Wipperflügel wurde 1833 niedergerissen. Von ihm stehen nur noch über den gewaltigen Gewölben des Hopfentellers die Außenmauern des Erdgeschosses.

Die ältesten Teile sind der Turmflügel und das Erdgeschoß des Kirchenflügels. Gleichzeitig mit ihnen entstanden müssen wir uns den Wipperflügel denken. Kirchen- und Wipperflügel laufen parallel und waren beide durch den Turmflügel verbunden, durch den ursprünglich der einzige Zugang zum Schlosse führte. Nach der Stadt zu war der Schoßhof anfangs nur, durch eine starke Mauer abgeschlossen, an der ein Graben vorbeiführte, an dessen jenseitigem Ufer sich ein Wall erhob; denn König Erich ließ hierum 1450 Kanonen aufstellen, um die Stadt zu beschießen. (Nach Thomas Kranzow.) Als dann die Torbude hier aufgebaut wurde, führte eine Zugbrücke über den Graben.

Der Schloßturm ist ein hervorragendes Denkmal mittelalterlicher Eigenart. Er diente als Torbefestigung, Wohnung und Burgfried (letzte Zuflucht). Aus einem Inventurienverzeichnis von 1648 wissen wir, was für Räumlichkeiten dieser Flügel enthielt; aber seit der Zeit ist er innen so oft umgebaut worden, daß sie sich heute nur noch zum kleinen Teile festlegen lassen. In der Durchfahrt finden wir rechts eine Tür, die zum unterirdischen Zellen, dem alten Burgverlies führt, rechts die Kalkkammer. Über der Durchfahrt liegt ein Raum mit Kreuzgewölbe, die alte Gerichtsstube, die später als Küche eingerichtet wurde. Dann folgt ein Raum mit Tonnengewölbe, wahrscheinlich die älteste Burgkapelle, zu dem eine geradlinige dunkle Treppe in der dicken Wand führt und weiter zu einem vollständig- dunklen Gewölbe, das in ältester Zeit als Schatzkammer gedient haben soll und später Pulverkammer wurde. Das Gewölbe ist von einem Wehrgange umschlossen. Darüber liegt noch ein Raum mit Tonnengewölbe, der als Rüstkammer diente.

In diesem Flügel lagen noch die Wohnung des Schlosshauptmanns, die Rentherei, Schlafstuben und Vorratskammern. Am 15.11.1679 brannte ein Teil des Schlosses ab und am 4.1.1680 schlug der Blitz in den Turm, der, mit einer welschen Haube gekrönt, früher 1 Stockwerk höher war. In diesem obersten Stock befand sich die Schloßuhr und eine Glocke mit einer seltsamen Umschrift. (Armesünderglocke) Der Treppenturm ist 1538 angebaut. Ihm gegenüber führt eine Tür in die alte Silberkammer, heute Waschküche, und darüber liegt die alte, heute geteilte Angstkammer, von der ein geheimnisvoller Mauergang mit gotischen Bogen abwärts geht. Das oberste Stockwerk mit der Ohrtstube ist abgebrochen.

Der abgebrochene Wipperflügel bildete das Hauptgebäude des Schlosses, den Pallas. Er war vier Stockwerke hoch und enthielt im Kellergeschoß den Schloßkeller, einen zweiten Keller und 1 Stube im 1 Obergeschoß: Badstube, Vorgemach, Leibgemach mit Balkon, ein Vorzimmer und den sehr geräumigen Turnierboden mit 16 Fenstern, im 2. Obergeschoß wieder 1 Leibgemach, Kunststübchen, Schlafkammern, 1 kleine Küche und 3 Kammern. Im 3. Obergeschoß die Frauen-Zimmer. Von einstiger Herrlichkeit  dieses Flügels zeugen nur noch gewaltige Mauerpfeiler und Kreuzgewölbe im Hopfenkeller.

Der noch erhaltene Kirchenflügel enthält über gewaltigen Kellerräumen die ehemalige 1625 eingerichtete Schloßkirche, heute als Lagerräume der Schloßmühle benutzt.  Darüber liegt der "Fürstliche Brötesaal" mit seiner eigenartigen Nischenarchitektur, der Trompeter- und Musikantengang und die Musikantenkammer. Die Zwischenwände sind heute verschwunden, so daß diese Räumlichkeiten einen einzigen Saal von imponierenden Ausmaßen bilden. Dasselbe gilt von dem darüber liegenden "Grünen Logiament". Auch dieser Saal hat tiefe Fensternischen und bietet wunderbare Fernsicht nach Norden und Süden. Im Kirchenflügel liegen also 3 große Säle von denselben Ausmaßen übereinander, ein Fall, der sich nicht oft wiederholen dürfte.

Der Torflügel ist heute nur teilweise erhalten. In ihm befand sich die Torbude, 1 Viehstall, 1 Holzkammer, die kleine Eßstube, die Wohnung des Prinzen Christian von Schleswig-Holstein und die des Schloßschneiders. Heute wohnt darin der Schloßverwalter.

Das Rügenwalder Schloß war im Mittelalter Residenz der pommerschen Herzöge. Solche Residenzen zählte man im Mittelalter 10. Davon sind noch erhalten Stettin, Rügenwalde, Stolp und Neustettin. Bütow und Lauenburg gehören als Ordensschlößer einem anderen Kulturkreise an.

Aus Urkunden läßt sich Nachweisen, daß hier 14 Herzöge und 3 Herzoginnen Hof hielten. Teils waren es regierende, teils apanagierte Herzöge. Die Fürstinnen hatten Schloß und Amt Rügenwalde als Leibgedinge inne.

Aus den 300 Jahren, in denen es als Residenz diente, haben sich einige Glanzzeiten hervor. Zunächst die Tage des Königs Erich 4., der hier seine Jugend verlebte und seinen Lebensabend von 1449-1459 zubrachte, auch in der hiesigen Fürstengruft begraben liegt. Die Erinnerung an seine ungeheuren Schätze ist heute noch recht lebendig. Auch der Größte aus dem Greifenstamme, Bogislaw X., hat hier und in Lanzig seine Jugend verlebt. Als ihn seine berühmte Pilgerfahrt 1497 und 98 über 1 Jahr von der Heimat fernhielt, residierte seine Gemahlin hier unter den getreuen Amtsbauern. Für alle Zeiten ist die Einführung der Reformation in Pommern mit dem Rügenwalder Schloß verbunden. Nach Verabschiedung des Landkreises zu Treptow nahm Barnim XI. zum Weihnachtsfest 1534 den pommerschen Reformator Johann Bugenhagen mit aufs Rügenwalder Schloß, wo er seine "Pommersche Kirchenordnung" verfaßte und die Reformation persönlich einführte. Auch der letzte Greifenherzog Bogislaw XIV. hat hier von 1606-1620 residiert und Schloß und Amt seiner Gemahlin Elisabeth als Witum. Von 1637 bis 54 hat sie hier Hof gehalten und den Ausbau der Kirchenflügels, insbesondere der Schloßkirche vollendet. Die Elisabethkirche im Schloße wurde zu einer Sehenswürdigkeit, deren Ruf weithin über die Lande erscholl. Noch heute zeugen der Silberaltar in St. Marien und die Kanzel in St. Gertrud von ihrer einstigen Pracht.

Mit dem Aussterben des Greifenstammes war es auch mit der Herrlichkeit des Rügenwalder Schloß vorbei. 1691 besuchte Hohenzoller Friedrich III. das Schloß. Seitdem  hat es keinen fürstlichen Besuch mehr beherbergt, nur Friedrich Wilhelm IV. hat es besichtigt und ebenso Kaiser Friedrich als Kronprinz. Friedrich der Große richtete in den Sälen über der Kirche ein Salzlager ein. 1805 wurde die Schloßkirchengemeinde aufgelöst und die wertvolle Ausstattung aus der Kirche genommen. 1807 wurde im  Schlosse ein französisches Lazarett eingerichtet und später das Landgericht, das 1821 ins Rathaus übersiedelte. Die unbenutzten Räume verfielen mehr und mehr, so daß  1833 das ganze Schloß abgebrochen werden sollte. Der prächtige Wipperflügel war schon niedergelegt, der Torflügel zum Teil und auch das oberste Turmgeschoß war schon abgetragen, als Friedrich Wilhelm IV. einschritt. Ihm ist es zu verdanken, daß die übrigen Teile erhalten geblieben sind. Noch einmal drohte dem Schloße vollständige Zerstörung, als man es dem Schloßmühlenbesitzer für 500 Taler anbot; doch schlug er glücklicherweise das Angebot aus. Zuletzt richtet man eine Strafanstalt und mehrere Wohnungen im Schloße ein. Die ehemalige Schloßkirche wurde durch eine eingelegte Holzdecke in 2 Speicherräume verwandelt.

Auch die zahlreichen Nebengebäude sind mit Ausnahme der alten Schloßbrauerei, der heutigen Landwirtschaftlichen Schule und einigen kümmerlichen Resten von der Erde verschwunden. Geblieben ist nur der umfangreiche "Fürstliche Wildgarten" mit seinem Wall und herrlichen Baumgängen.