Die Tugenden des Rock
von PHILIPP WURM, 10.01.2002
Safesurfer haben schon einige Jahre auf dem Buckel, der Durchbruch blieb ihnen bislang allerdings verwehrt. Ihre Musik - das ist zeitloser Indierock - wollen sie einfach nicht verfälschen lassen.
Raderberg - Safesurfer, das sind vier Typen, die leidenschaftlich gerne Gitarrenpop spielen und sich dabei als musikalische Wertkonservative entpuppen. Denn ihre Musik orientiert sich an den Tugenden, für die Rock früher weit stärker stand als heutzutage: nur ganz wenig Technik und Verzicht auf schnörkelige Kompromisse.
Folglich gibt es bei dieser Band kein Bemühen, irgendwie glatt zu klingen, damit die Musik wohliger in die Ohren kriecht. Die Musik soll auf eine dezente Art ungeschliffen sein, denn so kann sie ihre Ecken und Kanten behalten. "Uns war es immer wichtig, authentisch zu klingen", betont denn auch Sänger Christian Erichsen. Und Aart van der Toorn, der hauptberuflich Musiker ist, ergänzt: "Wir wollen einfach nur unser Ding machen."
Also machen Safesurfer einen weiten Bogen um die im Pop-Sektor üblichen Verzierungen, die sich um die Songs ranken und dem Gehör mitunter den freien Zugang zum Wesentlichen versperren - wie dramatisierendes Pathos oder überambitionierter Sound. "Uns geht es allein um den Song", fasst Stefan Kurz, der von Beruf Handwerker ist, das Ethos der Band zusammen.
Auffallend bescheiden mutet daher auch das Inventar in ihrem Proberaum auf dem Gelände des Raderberger Großmarkts an. Eine Gitarre (Stefan Kurz), ein Bass (Christoph Herder, Berufsmusiker), ein Schlagzeug (Aart von der Toorn) und eine Stimme (Christian Erichsen) - so schlicht kann das Prinzip Rock sein. Und wenn dann die Musik erklingt, fällt der Vorhang für straighten Indierock, der zuweilen Erinnerungen wachruft an die R.E.M. der frühen achtziger Jahre.
"Unsere Songs sollen warm klingen", erklärt Erichsen. "Working Overtime" zum Beispiel hat ein noisiges Intro, eine puristische Instrumentierung, einen elegischen Refrain, der im richtigen Augenblick zu rocken beginnt. Und das alles in einen warmen Klang verpackt, der dem Trend-Diktum strotzt und der - obwohl modern - auch vor 20 Jahren hätte entstehen können. "Wir verstehen uns als Gegenpol zu einem schnellen Alltagsleben, das von einem Ellbogendenken dominiert wird", sagt Erichsen, wehrt sich aber gleichzeitig gegen den Vorwurf, Safesurfer wollten mit ihrer Musik vor der Wirklichkeit flüchten. "Wir machen unsere Songs aus dieser Welt heraus - und wir haben ein optimistisches Gemüt."
Und tatsächlich: Auf ihrem neu erschienenen Longplayer "A Day Called Love" finden sich sechs "Love Songs", wie Erichsen verspricht. "Mit der Platte wollten wir verschiedene Positionen zur Liebe beziehen." Der Titeltrack handelt davon, wie sich Menschen von den Vorgaben der Religion abhängig machen. Der Song "Puzzle" dagegen gibt sich weit träumerischer und widmet sich den Mysterien der Liebe.
In der Kölner Nachwuchsszene sind Safesurfer alte Hasen. Sie existieren - in wechselnder Besetzung, nur Erichsen und Kurz waren immer dabei - seit 1991 und haben schon viel erlebt. Darunter unvergessliche Live-Auftritte auf dem Ringfest und ein Support-Konzert für die inzwischen deutschlandweit bekannte Indie-Größe Slut. Das schönste Erlebnis war jedoch ein Auftritt im Rahmen des Medienbürgerfests im Jahr 1996. "Damals haben wir vor dem Domportal gespielt. Menschen, die unsere Musik nie zuvor gehört hatten, sind stehen geblieben, haben unseren Songs gelauscht und waren begeistert", erinnert sich Erichsen. Fünf Stunden non-stop hat die Band ihr Repertoire heruntergespielt. Wiederholungen ließen sich dabei nicht vermeiden, doch die Ausdauer hat sich gelohnt.
Der unermüdliche Live-Einsatz hat sich gelohnt, denn der Name der Band hat sich im Rheinland bereits herumgesprochen. So laufen Safesurfers Ohrwürmer immer wieder in der Sendung "Heimatkult" bei EinsLive. Doch für einen Bekanntheitsgrad, der über die lokalen Grenzen hinausreicht, hat es noch nicht gereicht - und das, obwohl die Songs von Safesurfer, die so beseelt und verführerisch glitzern können, eigentlich jeden Freund von akkuraten Schrammeleien weichkriegen müssten.
Aus: Kölner Stadtanzeiger vom 10.Januar 2002